Ausgabe für Violine solo. Schwierigkeitsgrad: schwer.
Paul
Hindemith (1895-1963) komponierte das Präludium g-Moll für Violine
allein als 21jähriger Anfang Juli 1917 im Haus seines väterlichen
Freundes Karl Schmidt (18691948) zu Friedberg (Hessen), wo er seine
Sommerferien mit Ausflügen, Wanderungen und vor allem mit
gemeinschaftlichem Musizieren verlebte. Schmidt, ursprünglich
Altphilologe, war ein begeisterter Musikliebhaber, der auch Alben mit
geistlichen Liedern und Arien aus dem 18. Jahrhundert herausgab, an
deren Publikation sich Hindemith beteiligte, aber auch komponierte und
Konzerte in seiner Heimatstadt organisierte vor allem auch mit »Alter
Musik« aus der Zeit vor Bach. Hindemith beteiligte sich seit 1909 an
diesen Konzerten: zunächst als Geiger, dann seit 1922 auch als Viola
d'amore-Spieler. Dort trug er bereits 1913 etwa auch die beiden ersten
Sätze Grave und Fuga aus Bachs Sonate Nr. 2 a-Moll BWV 1003 für Violine
solo vor. Er hat diese Werke Bachs nicht nur als Geiger studiert,
sondern sie auch im Kompositionsunterricht analysiert, so dass er mit
ihnen vertraut war. Noch in späterer Zeit konnte er diese Werke
auswendig auf der Geige vortragen. Das als Einzelsatz entstandene
Präludium g-Moll trägt den auch unverkennbar einen Bach'schen Duktus,
ohne dass Hindemith die Musik Bachs nachahmt. Er gestaltet es von der
melodischen Linie aus, die er nicht nur etwa durch Lagenwechsel zu einer
imaginären Mehrstimmigkeit differenziert, sondern die er auch durch
Doppelgriff- und Akkordspiel markant erweitert. Über Bach hinaus geht er
auch mit den dynamischen Vorschriften oder den Tempobezeichnungen, die
er eng den formalen Abläufen zuordnet. Die ihm in allen Facetten bestens
vertraute geigerische Spieltechnik hält er wohl knifflig, aber
keinesfalls überfordert er den Spieler oder bietet sich
verselbstständigendes, etüdenhaftes, Passagenwerk. Vielmehr besitzt
die Musik einen ganz eigenen Tonfall, mit dem sie sich etwa auch von der
entsprechenden Musik Max Regers unterscheidet.
Gewidmet hat
Hindemith das Präludium dem Vater von Karl Schmidt: Johann Friedrich
Schmidt (18401925) zum 77. Geburtstag am 9. Juli 1917, der als
Musiklehrer am Großherzoglichen Lehrerseminar zu Friedberg das
Musikleben der Stadt über 50 Jahre vorbildlich geprägt hatte. (Im
Widmungs-Eintrag in der Partitur irrte sich übrigens Hindemith in
Schmidts Alter) Hindemith selbst hat dieses Präludium nicht
veröffentlicht, aber er muss es geschätzt haben, denn er verwandelte es
wenig später zum ersten Satz seiner Sonate für Violine solo Op. 11 Nr.
6, indem er es etwas erweiterte und die Phrasierung, Artikulation und
dynamische Auszeichnung veränderte. Auch diese Sonate blieb zu seinen
Lebzeiten unveröffentlicht und wurde vollständig erst 2002 vorgelegt. Das Präludium, mit dessen Publikation das Repertoire
Hindemith'scher Musik für Violine solo vervollständigt wird, wurde sogar
erst 2013 identifiziert und 2014 im Rahmen der Hindemith-Gesamtausgabe
bekanntgemacht.
Komponist: Paul Hindermith.
Herausgeber: Hermann Danuser, Giselher Schubert.
Verlag: Schott Music VLB199.